Am vergangenen Wochenende war es wieder soweit: endlich mal wieder reisen und dann auch gleich ein paar Tage Urlaub von meiner Chaoten-WG. Ich komme mir hier ja langsam ein wenig vor wie ein Betreuer in einer "Betreutes Wohnen"-WG... Von langer Hand geplant fuhr ich nach Bergen, der 2.größten Stadt Norwegens (mit schätzungsweise Sage und Schreibe 300Tsd Einwohnern) und zugleich der laut Internet "regnerischsten" Stadt Europas (wobei mir das die schottische Familie, die mit mir im Hotel am Frühstückstisch saß nicht glauben konnte... denn schließlich "kommen sie aus Großbritannien und dann glauben sie nicht, dass die regenreichste Stadt in Norwegen sein soll", so das Zitat der Mutter).
Nachdem ich mir ein SCANRAIL-Ticket vor meiner Abreise nach Norwegen in der Heimat gekauft hatte und ich damit quasi kostenlos (bis auf Sitzplatzreservierung) Zug fahren kann in Norwegen, Schweden, Finland und Dänemark fuhr ich folglich mit dem Zug.
Wer sich mal die Geographie Norwegens anschaut, stellt fest, dass Trondheim und Bergen beide an der Westküste liegen mit so ca. 500 km Luftlinie. Nun ist das aber Norwegen und da besteht die Küste aus Fjorden... einem Haufen Fjorden. Demnach gibt es keine dirkete Zugverbindung und man muss von Trondheim zuerst nach Oslo (die große norwegische 500Tsd-Einwohner-Metropole) und von dort dann nach Bergen. DAS SIND DANN ALSO 13 STUNDEN EINFACH, OHNE PAUSE!!!! IM ZUG!!! Und dementsprechend 15 Stunden mit Aufenthalt in Oslo.
Ein weiteres Highlight am Norwegischen Schienennetz ist, dass die wichtigste Nord-Süd-Verbindung, also zwischen Oslo und Trondheim und dann weiter in den Norden nach Bodø EINGLEISIG ist. Das heisst also, dass der Zug nach Oslo eine Viertelstunde auf dem Nebengleis warten muss bis der Zug aus Trondheim vorbei ist, oder umgekehrt...na das da noch nie ein Zugunglück war...
Dafür sind die Züge um ein vielfaches komfortabler als die Deutschen ICs und ECs. Im Nachtzug bekommt sogar jeder Fahrgast ein "Schlafpaket" mit Decke Schlafbrille, Ohrenstöpsel und lustigem Kissen zum aufblasen... also sowas unbequemes. Ich habs natürlich gleich benutzt, bis ich dann nach drei Stunden Schlaflosigkeit dahinter gekommen bin, dass man ohne das Ding erheblich besser schläft.
Sofern man im Zug überhaupt schlafen kann, wenn man nicht im Schlafwagen liegt. Aber das kostet ja extra (ca. 500 kronen) und das geht ja überhaupt nicht!
Jedenfalls fuhr ich Donnerstag um 14:05 in Trondheim ab war um 20:30 in Oslo und von dort ging es um 22:40 weiter nach Bergen, wo ich Freitag morgen um 6:57 ankam. Saukalt wars dort ABER KEIN REGEN!
Die Zugfahrt war, sofern man die Landschaft sehen konnte, sehr schön. Ich kann wirklich nur empfehlen die PEER GYNT SUITE von EDVARD GRIEG (dem wahrscheinlich bekanntesten Komponisten Norwegens) zu hören, während die Berge und Seen vorbeiziehen! Danach weiß man was die Musik beschreibt!
Aber jetzt weiter.
Freitag, 09.11.2007, Bergen, 7 Uhr:
Als erste Amtshandlung wurde mal das Gepäck in einem Handelsüblichen Bahnhofsschliessfach eingesperrt, denn ich konnte erst ab 15 Uhr im Hotel einchecken und hatte mir vorgenommen bis dahin die Stadt zu erkunden. Ein vollgepacktes Programm wartete auf mich.
Aber bis 8 Uhr ist es erstmal dunkel. Also gabs ein Frühstück im Jernebanstasjonskaffe (Bahnhofscafé).
Danach ging die große Tour los, als erstes hab ich mir mal den "Lille Lungegårdsvann" angeschaut, das ist ein künstlicher 8 eckiger See, quer gegenüber vom Bahnhof. Um Ihn sind die Kunsthochschule und drei Museen mit internationalen Werken und auch Norwegischer Kunst wie etwa von Edvard Munch ausgestellt (aber nicht "Der Schrei"... der hängt glaub ich in Oslo).
Die Stadt hat übrigens eine mehrfache deutsche Vergangenheit, zum einen war sie ab dem späten Mittelalter einer der wichtigsten im Ausland liegenden Handelsstützpunkte der deutschen HANSE mit Hauptsitz in Lübeck, zum anderen war es wie viele norwegische Küstenstädte ein Stützpunkt der Deutschen Wehrmacht, insbesondere der deutschen Marine. Eines Tages explodierte im Hafen ein Deutsches Munitionsschiff, aufgrund der daraus resultierenden Druckwelle wurden die Fassaden der BRYGGEN Häuserfront verschoben und aus diesem Grund ist alles ein bisschen schief wenn man davor steht... von deutschen gebaut, von deutschen verschoben!
Als nächstes bin ich ein wenig in der Stadt in der Morgendämmerung umherspaziert mit Ziel "Fløinbanen", einer Standseilbahn die auf den Fløien, einen der 7 Berge, die Bergen umgeben (der Name hört sich schon so an, als ob da irgendwo Berge rumstehen müssen...)
Von dort hat man eine herrliche Aussicht über die Stadt im Bergkessel und den Fjord und überhaupt all das geschäftige Treiben in Bergen. Das schöne Wetter versüßte den Sonnenaufgang noch zusätzlich:
Blick über Bergen Küste bzw. Fjord....
... mit Hafen und Kreuzfahrtschiffchen
roter Himmel vom Sonnenaufgang...um halb 9
Als ich wieder unten war, ging ich erstmal nach BRYGGEN und hab mir ein Bild von der Hanse-Vergangnenheit gemacht. Bryggen ist übrigens ein UNESCO-Weltkulturerbe. Reparaturen und Rekonstruktionen werden heute noch mit originären Werkzeugen aus dieser Zeit und unbeahndelten zeittypischen Baumaterialien ausgeführt.
Anschliessend, um 11 Uhr, haben auch endlich die ganzen Museen aufgemacht, was angesichts des ungemütlich starken Windes mit Schneefall schon recht erfreulich war!
Vor dem BRYGGEN-Museum besuchte ich aber noch die MARIAKIRKE (Marienkirche), einer Kirche aus dem 12. Jahrhundert, welche das älteste noch stehende Gebäude Bergens ist, dort herum, bzw. zu deren Fuss wurde dann auch Bryggen errichtet. Besonders fällt auf, dass auf dem Friedhof hauptsächlich Deutsche Namen zu lesen sind. Das kommt daher, dass die Kirche ihre reiche Barock-Ausschmückung von wohlhabenden (deutschen) Hanse-Kaufleuten gestiftet wurde:
Danach ging es also ins BRYGGEN-Museum wo man nochmal ein bisschen über die Hansevergangenheit informiert wurde.
Und danach gings auf die Festung BERGENHUS, die eine von vielen Festungen in Küstennähe ist (wie z.B. auch die Festung KRISTIANSTEN in Trondheim). Da konnte man zunächst einmal den Blick über den Hafen und die dort ankernden Schiffe, egal ob Marine-Schiff, Kreuzfahrtschiffe und was sonst noch schweifen lassen. Weiterhin gabs dort noch die "Håkonshallen" (benannt nach König Håkon Håkonsson) und den "Råsenkrantz-Tårnet" (Råsenkrantz-) Turm zu besichtigen (wobei der letztere nur in der Sommer-/Hauptsaison geöffnet ist). Und natürlich, wie soll es anders sein, haben die deutschen (wie fast überall in Trondheim wo sie waren) einen rießigen quadratischen, mittlerweile teilweise mit Efeu bedeckten Bunker hingebaut. Aber das Norwegische Militär, dass auf BERGENHUS stationiert ist, freut sich auch wenn sie mal was vernünfites zum spielen haben :-)
Beide Gebäude (also nicht der Bunker) wurden zwischen 1240 und 1270 erbaut, wobei der Turm an sich erst später in den 1560er Jahren in die vorhandenen Verteidigungsstrukturen eingefügt wurde.
Die Halle ist im Laufe der Jahrhunderte immer mal wieder abgebrannt und ist wieder aufgebaut worden. Zuletzt wurde alles bis auf die Grundmauern wegen der Explosion des Munitionsschiffes abgebrannt. Wie bereits erwähnt, wurden diese beiden imposanten Gebäude von einem Norwegischen König und später von dessem Sohn (auch wieder ein König wahrscheinlich) erbaut, da Bergen im 13. Jahrhundert größte Stadt und gleichzeitig Hauptstadt von Norwegen war, nicht zuletzt wegen der bedeutenden Handelsposition durch die HANSE.
Mittlerweile ist die Halle aber wieder restauriert und aufgebaut. Sie dient heute noch ihrem urprünglichem Zweck für Feste, Versammlungen und Konzerte.
Dann wurden von mir die HUSFLIDEN(=Geschäfte mit traditionellen norwegischen Gütern und Handarbeitswaren, wie zB. Norwegerpullis und andere Strickwaren) in BRYGGEN ausgekundschaftet. Man muss ja schliesslich wissen, was man sich am nächsten Tag alles kaufen will.
Danach gab es 'ne Pizza beim in Norwegen allgegenwärtigen "PEPÉ's PIZZA", denn immerhin war es schon 14 Uhr.
Auf dem Weg zum letzten Ziel für heute, ging ich über den so hoch gelobten Fischmarkt... naja also drei Stände sind ja jetzt nicht sooo groß... entweder lag es am Wetter, an der Kälte, oder einfach daran, dass es Spätherbst bzw. Winter ist. Ich muss wohl im Sommer noch mal verifizieren, ob da dann mehr los ist.
Als letztes für den heutigen Tag stand das "AKVARIET" (BERGEN AQUARIUM) auf dem Programm. Laut Reiseführer eines der ältesten Aquarien Europas. Es gab, ähnlich wie in SEALIFE in München, ein haufen Fischgezeugs...interessant war allerdings die tropische Sektion mit 20 verschieden Krokodilen und Kaimaren! So ein Nilkrokodil will man nicht zum Feind haben und auch ein Salzwasserkrokodil nicht...
Richtig nett wurde dann aber das Training mit den Seehunden und die Fütterung der Pinguine:
Aber erst noch ein bisschen Bewegung zuvor:
Dann war es auch schon 16 Uhr und ich konnte endlich einchecken, zuvor musste ich aber noch mein Gepäck aus dem Bahnhofsschliessfach holen. Zum Glück ist der gesamte Stadtkern gut zur Fuss erkundbar! Wobei es dann schon ungemütlich kalt wurde.
Im Hotel freute ich mich über den Flachbildfernseher und eine heisse Dusche :-)
Zum Dinner wurde mir von der Rezeption ein nahegelegenes Restaurant empfohlen. Dort bestellte ich mir den "mysteriösen" LUTEFISK (=gelaugter Fisch oder so ähnlich) es ist ein traditionelles Norwegisches Weihnachtsessen, wobei niemand mit dem ich bis jetzt gesprochen habe unter 50 Jahren dieses Gericht ausserordentlich mag... also wohl eher nicht so die Freude an Weihnachten für die meisten.
Wer sich interessiert wie die Norweger diesen Fisch nun genau "vergewaltigen", damit er zu diesem glitschig, nach Seife schmeckenden "Fisch" wird schaut doch am besten mal bei GOOGLE oder WIKIPEDIA nach.
Zweifelsohne... ein Erlebnis, aber nochmal muss das nicht sein!
Zurück im Hotel war ich dann nach etwa 48 Stunden mit ca. 2 Stunden "Schlaf" im Zug relativ müde.
Samstag, 10.11.2007:
Am Samstag ging es nach dem AUSGIEBIGEN Frühstück, mit netter Schottischer Familie am Tisch (da merkt man sofort, dass es keine Norweger sind, denn die würden einfach in den Teller starren und sich hüten mit jemandem zu sprechen, der Englisch redet... die meisten jedenfalls) und interessantem Gespräch, das dann aber doch etwas länger dauerte... (erst) um 10 Uhr zum Shoppen und ich war äußerst erfreut über den 50%-XMAS-Sale. beim WINDFJORD-Shop Da kann man dann auch gleich mal ein bisschen mehr kaufen! :-)
Nachdem die Waren im Hotelzimmer verstaut waren, ging es zur großen samstäglichen MUSEUMSTOUR. Der Weg ist das Ziel und somit wurde noch ein bisschen die Fussgängerzone besichtigt. Mit Seefahrer-Denkmal, für die Seefahrer seit der Wikingerzeit.
Allerdings muss ich sagen, dass 3 Stunden für Kulturhistorisches und Naturhistorisches Museum schon sehr wenig sind... dann war 16 Uhr und nur noch eine Stunde Zeit bis die Kunstmuseen an besagetem "Lille Lungegårdsvann"-See schlossen. Also eine gefechtsmäßige Tour durch Gemälde aus den letzten drei Jahrhunderten und zeitgenößischer Kunst... wobei mir diese etwas verrückt erscheint. So meinen etwa manche Leute, dass ein weißer Tisch mit Gummikabeln darauf Kunst ist... Naja jetzt weiß ich wieder warum ich nicht so viel mit Kunst am Hut habe.
Besonders faszinierend waren die Walskelette an der Decke im Naturhistorischen Museum. Ziemlich große Viecher (KEINE Fische, das sind Säugetiere!!!) solche Blauwale!
Somit war auch der zweite Tag fast vorbei. Doch bevor es zurück ins Hotel ging, wurde noch ein Rentiersteak im Restaurant gegessen... natürlich mit-nach Empfehlung des Garcons- einem Glas spanischem Rotwein (ich kenn mich ja nicht so aus mit Wein, aber einfach mal immer recht gescheit tun und erfreut auf die Empfehlung antworten: "Oh, a Marques! That would be fine!"). Als Nachtisch gab es Multekrem (Schlagsahne mit nur im norwegischen Norden wachsenden Multebeeren. Die Familie weiss ja schon was das ist, vorallem Heinz und Petra, gell!).
Dann ging ich nach ein paar Nachtaufnahmen von Bergen und BRYGGEN zurück ins schöne ruhige Hotel (Abwechslung zu meinem Zimmer in der WG neben der Hauptverkehrsstrasse und der Bushaltestelle).
Am Sonntag erfreute ich mich schliesslich an einer NUR 13 stündigen Rückfahrt (weil ohne längeren Aufenthalt in Oslo) nach Trondheim, wo ich auch endlich mal die andere, schönere Hälfte der Strecke (nämlich die zwischen Bergen und Oslo) bei Tageslicht sehen konnte, wobei die andere Hälfte in der norwegischen Nacht verschwand, welche hier mittlerweile ja schon um 16 Uhr voll im Gange ist!
SO jetzt habt ihr auch mal wieder ein bisschen was über Norwegen gelernt. Bis demnächst, falls ich nochmal was erwähhnenswertes erlebe in den verbleibenden 4 Wochen hier.
Und noch ein paar Bilder von Bergen bei Schnee, bzw. bei sonntäglicher Morgendämmerung: